Wie schon vorbereitet mit den großformatigen Skizzen, war der Tag gekommen für das eigentliche Ziel: kein beschränkendes Skizzenpapier mehr, sondern großformatige Zeichnungen in bester Qualität und mit allen Möglichkeiten, die die Zeichenkunst bietet. Das neue Material, ein sehr schöner glatter und stabiler Zeichenkarton war unwiderstehlich, schnell aufgespannt und es konnte losgehen.
Einer Vision folgend war das Layout schnell angelegt, ein sich öffnender Schlund eines Abgrundes, daraus hervorbrechende Kreaturen… mythologische Kreaturen.
Ein Drachenkopf sollte Blickfang werden und die richtige Positionierung gelang zufriedenstellend. Die Detailarbeit begann.
Was dann allerdings geschah, kam völlig unerwartet. Das Vorhaben, einen furchterregenden, bedrohlich wirkenden Drachen abzubilden, scheiterte vollkommen.
Es begann ein Kampf mit diesem Drachenkopf, ich nahm ganze Stellen heraus, veränderte die Augenstellung, die Tiefen. Nach gefühlt mehreren Stunden schließlich musste ich mich zwingen, aufzuhören.
Alles stimmte, die Proportionen, die Perspektive. Doch er sah völlig anders aus, als es in meiner Absicht lag und ich fand den Fehler nicht…. Wütend und frustriert beendete ich dieses Drama und warf die Stifte hin.
Trat 2 Schritte zurück und dann musste ich von Herzen lachen, denn es war, als würde der Drache mich breit angrinsen. Er hatte gewonnen. Es war der freundlichste Drache, den ich je gesehen hatte und ich akzeptierte es. Lektion verstanden. Hier sind höhere Mächte am Werk, die sich meiner Kontrolle entziehen.
Damit kann ich leben.
Am nächsten Tag allerdings kam die zweite Lektion:
Das Licht hatte gewechselt. Es gab jetzt Tageslicht direkt auf die Zeichnung (gearbeitet hatte ich nachts mit einer Arbeitsleuchte von der Seite)
Von den Details des intensiv bearbeiteten Drachenkopfes war nichts mehr zu sehen außer einer diffus spiegelnden Graphitschicht.
Da war nichts mehr zu retten. Bei kleineren Zeichnungen ist diese bekannte lichtreflektierende Wirkung vom Graphitstiften nicht so auffällig und eher verschmerzbar.
Bei einem so großen Format allerdings inakzeptabel. Es war niederschmetternd.
Ein harter Einstieg und Hürde in die neue Entwicklung. Es war klar, da waren Studien jetzt gefordert. Tests und Entscheidungen für die nächste große Zeichnung.


Ein Teststreifen entstand (bei direktem Lichteinfall) mit allen verfügbaren Graphit- und Graphitkohlestiften, Kohle und anderem. Unter Erfassung und Beschriftung von jedem Detail und Bezeichnung mit wissenschaftlicher Gründlichkeit.
Wissenschaft und Kunst vertragen sich in solchen Momenten gut.
Schließlich reihten sich noch Tests ein, in denen Klebstoffe, Acrylgel etc auf ihre Verwendbarkeit geprüft wurden, weil der Teststreifen als Vollendung dieser Erfahrung auf dem Originalzeichenkarton mit dem Drachen aufgeklebt werden sollte.
Ein Meisterwerk ist es nicht geworden, allerdings in seiner Bedeutung für meine Entwicklung wahrhaftig wegweisend.
Die besten Lehrer sind das Material und der eigene Anspruch an sich selbst, das Ringen um Meisterschaft. Und vielleicht die eine oder andere höhere Macht, die dir deine Fehler zeigt.